
“Ich mag Frauen mit maskulinen und Männer mit femininen Seiten”
Die Zeiten haben sich “gegendert”, witzte der österreichische Kabarettist, Gery Seidl, letztes Jahr im Sommerkabarett des ORF. Damit hat er nicht unrecht. Das merkt man auch in der Mode – weg von herkömmlichen Kollektionen für Mann und Frau, hin zu Unisex. Unter diesem Aspekt entstand auch die Fotokampagne für die “MQ VIENNA FASHION WEEK.16“. Sie trägt den Titel “Gender me”. Geplant und fotografiert von Irina Gavrich, einer einflussreichen Fotografin aus der Szene. Sie shootete bereits für die elfte Staffel “Austria’s Next Topmodel” und dieses Jahr wurde sie für ihre Arbeiten bei den “Vienna Awards for Fashion and Lifestyle” ausgezeichnet.
Wir wollten mehr über die Fotografin erfahren und haben uns mit Irina zum Interview getroffen. Ein Gespräch über Genderrollen, Normen in der Mode und die Liebe zur Fotografie.
Du hast dir für die Fotokampagne der “MQ VIENNA FASHION WEEK.16” die Frage, “Is it him or is it her?”, gestellt. Aus welcher Intention heraus?
Ich finde, dass “Gender” ein sehr zeitgenössisches Thema und ein wichtiger Aspekt in der Mode ist. Was man trägt, sollte nicht vom Geschlecht abhängig gemacht werden. Ich habe, so wie für viele meiner Kampagnen, mit Max Märzinger zusammengearbeitet. Er ist Stylist und mir hat es sehr gut gefallen, dass das männliche Model unter dem Anzug eine Bluse aus einer Damenkollektion getragen hat. Das hat uns auf die Idee gebracht, dass wir die Outfits der Models auch einfach austauschen können. Daraus entstand dann das Thema für die Kampagne – “Gender me”.
Androgynie war bereits Thema deines Shootings für die elfte Staffel „Austria’s Next Topmodel“.
Das stimmt. Ich finde das Thema einfach spannend aber das heißt nicht, dass ich nur auf diese Weise arbeite. Ich habe für das Shooting bei “Austria’s Next Topmodel” das Thema auch nicht selbst gewählt. Es war deren Entscheidung und in ihrer Recherche nach passenden Fotografen, sind sie auf mich gestoßen. Vielleicht ist es mir selbst noch nicht so aufgefallen, dass sich diese Thematik durch meine Arbeiten zieht. Ich mag Frauen mit maskulinen und Männer mit femininen Seiten und das merkt man offensichtlich an den Fotos die ich mache. Es gefällt mir jedenfalls, dass die Leute meine Arbeit so interpretieren.
Als Setting für die Fashion Week-Kampagne hast du die Straßen Wiens gewählt. Hat das einen bestimmten Grund?
Ja, ich wollte in einer natürlichen Umgebung fotografieren. Es macht mehr Spaß, als in ein Studio zu gehen, wo alles vorbereitet ist. Als Location haben wir die Landstraße in Wien Mitte gewählt. Die Atmosphäre dort ist urbaner als am Stephansplatz und der Donaukanal wäre mir auch zu klischeehaft gewesen. Draußen musste es aber sein. Ich wollte einen Ort, an dem sich Menschen im Alltag ganz normal bewegen und alles natürlich aussieht. Geshootet haben wir dort auf einem Zebrastreifen. Es musste alles ganz schnell gehen, aber natürlich waren wir gut vorbereitet.
Du wolltest also weg von inszenierten Umgebungen?
Ja und vor allem wollte ich weg vom “Kleinkarrierten” und das ist in Wien leider immer noch Thema. Wenn man anders gekleidet ist, als es die Norm vorsieht, dann wird man schräg angeschaut. Es gibt auch hier Leute, die sich anders kleiden und kreativ denken. Das muss man akzeptieren und die Kampagne bringt das ganz gut zur Geltung.
Du fotografierst seit sechzehn Jahren. Wann hast du angefangen dich für Fotografie zu interessieren?
Ich komme aus der Ukraine und habe dort, neben dem normalen Schulunterricht, eine Kunstschule besucht. Vorrangig ging es in dieser Schule aber um Malerei. Das Visuelle hat mich sehr begeistert. Als wir dann nach Österreich übersiedelt sind, hat mir ein Lehrer die “Ortweinschule” in Graz empfohlen. Die dauert fünf Jahre und ist so ähnlich wie die “Angewandte” hier in Wien. Ich habe mich dort für den Zweig “Audiovisuelle Medien” entschieden und mir gleich darauf eine Kamera gekauft. Daraus hat sich mein Interesse für Fotografie entwickelt.
Was fasziniert dich an der Modefotografie?
Mich interessiert vor allem der künstlerische Aspekt. Ich hatte auch schon die Gelegenheit meine Fotografien in Galerien auszustellen. Naja und ich mag Mode an sich, ich setze mich gerne damit auseinander und treffe mich sehr gerne mit Designern und Stylisten, um Kampagnen zu entwickeln. Ich denke kreativ und liebe es so zu arbeiten. Die Modefotografie gibt mir die Möglichkeit, genau das zu tun.
Vor Kurzem hattest du ein Shooting mit der Band “The Kills“. Du fokussierst dich also nicht ausschließlich auf Modefotografie.
Das stimmt. Ich mache auch sehr gerne Musiker- und Künstlerporträts. Das sind oft spannende Charaktere und ich lege mich persönlich nicht auf einen bestimmten Bereich fest.
Auch in Bezug auf Arbeitsorte bist du flexibel. Berlin, Wien, Paris – wo ist’s am Schönsten?
Ja, ich brauche es immer wieder wo anders zu sein. Im Moment finde ich Berlin ziemlich spannend und Paris nach wie vor. Aber wo es am Schönsten ist, dafür kann ich mich nicht wirklich entscheiden. Andere Orte zu entdecken bereichert einen persönlich und mich vor allem auch in Hinsicht auf meine Arbeit als Fotografin.
Du lebst in Wien. Ist es nicht einfacher in Modemetropolen Arbeitsaufträge zu bekommen als hier?
Wahrscheinlich ist es es das. Es läuft jedenfalls in diesen Städten ein bisschen professioneller ab. Aber gerade in den letzten zwei Jahren hat sich in Wien wahnsinnig viel getan. Es gibt viele gute Designer hier, wie etwa Roshi Porkar, mit der ich sehr gerne zusammenarbeite. Von Wendy Jim hört man auch wieder viel. Also ich finde, dass wir in Wien wirklich viele großartige Talente haben und somit auch Aufträge.
Was trägst du am liebsten?
Eigentlich trage ich wahnsinnig gerne Männerkleidung. Zum Beispiel die Sachen von einem guten Freund von mir, Petar Petrov, der lange Zeit auf Herrenkleidung spezialisiert war und jetzt aber Frauenkleidung designt. Hosenanzüge trage ich auch sehr gerne.
Outfit grey: Suit/Shakkei, Top/Michel Mayer, Jewellery by Sergej
Outfit white: Skirt & Top/Callisti, quilted sleeveless jacket/Michel Mayer, coat/Roee, Jewellery by Sergej